Freitag
22. Oktober 2010
Die Situation in Frankreich wird heißer:
...einerseits beteiligen sich jetzt auch die SchülerInnen am Kampf. Die Regierung fürchtet, daß die Situation sich in Richtung eines “griechischen Szenarios” entwickelt. Ein früherer Kampf der SchülerInnen und StudentInnen gegen die CPE-Reform (hier weitere Infos dazu) im Jahr 2006 war erfolgreich und endete in der Rücknahme eines bereits erlassenen Gesetzes.
Die franzöische Jugend, die unter dauernder Polizeirepression leidet, bringt nun all ihren Ärger über dieses System und besonders über die Polizei zum Ausdruck. In einigen großen Städten und den Vororten von Paris gab es sehr harte Auseinandersetzungen mit den Anti-Riot-Einheiten, aber auch in anderen Städten in Frankreich und in Kleinstädten.
Zunächst kritisierte die Regierung die Jugend als manipuliert und meinte, deren Platz sei in den Schulen und nicht auf der Straße. Aber da die Regierung vor Jahren ein Gesetz erlassen hatte, daß Teenager im juristischen Sinne als strafwürdig gelten können, war ihre Antwort: wenn sie alt genug seien, um mit 13 ins Gefängnis zu gehen, dann seien sie auch reif genug, um über Politik zu diskutieren und auf der Straße zu demonstrieren.
Nun versucht die Regierung, die Furcht vor “jungen Rabauken” zu schüren, die sich nur beteiligten, um alles kaputtzuschlagen und Gewalt auszuüben. Dieses Argument zieht in Wirklichkeit nicht (jedenfalls bisher) und die Leute unterstützen die Bewegung immer noch.
Auf der anderen Seite halten die ArbeiterInnen in einigen strategischen Sektoren wie Transport, Häfen und der wichtigen Energieversorgung ihren Streik aufrecht und erhöhen das Ausmaß der Kämpfe noch.
Mindestens zwei Drittel der Energieversorger haben keinen Nachschub mehr (teils wegen der Blockaden, teils weil es wegen der Furcht, ohne Benzin dazustehen, auf einen Run auf die Tankstellen kam... Daher war diese irrationale Panik den Streikenden eine große Hilfe dabei, ein Chaos anzurichten... :)
Die Nachschubkette bei Treibstoff kam fast zum Erliegen. Dies würde zu einem völligen Zusammenbruch der Wirtschaft führen. Daher hat der Präsident höchstselbst heute beschlossen, daß Armee und Polizei eingreifen und die Treibstofflockaden auflösen sollen. Die ArbeiterInnen beschlossen, sich auf keine Konfrontation mit der Polizei einzulassen, sondern die Aktionen mit anderen Mitteln fortzusetzen.
Außerdem können wir den Anfang von Selbstorganisation in einigen Städten und/oder Sektoren beobachten. Auch wenn die selbstorganisierten Gruppen und Bewegungen noch nicht sehr umfangreich sind, können sie eine deutliche Wirkung auf die allgemeine Bewegung haben.
In Toulouse zum Beispiel hat die örtliche CNT-AIT zu Öffentlichen Versammlungen aufgerufen. Der Zweck dieser Öffentlichen Versammlungen ist es, zu freier Meinungsäußerung zu gelangen und Politik nicht nur als Sache von Spezialisten oder Berufspolitikern zu sehen, um das Selbstdenken und die Selbstorganisation zu fördern. Waren es bei den ersten Demos zuerst nur 50 TeilnehmerInnen, wuchs die Zahl um das Zehnfache (300 am 2. Oktober, 500 am 12. Oktober, am 16. 500 bis 700). Diese Öffentlichen Versammlungen verliegen ruhig und entschlossen. Als zum Beispiel am 2.10. Anti-Riot-Polizei die Öffentliche Versammlung aufforderte, sich aufzulösen, weigerten sich die Leute und sagten der Polizei, sie würden nicht weichen. Die Öffentliche Versammlung blieb zusammen, setzte ihre Diskussion fort und besetzte und blockierte dabei das Stadtzentrum. Da die Polizei die Macht dieser Versammlung erkannte, wagten sie keine Konfrontation. Nach drei Stunden der Besetzung ging die Öffentliche Versammlung in eine spontane Demonstration im Stadtzentrum über. Und jetzt verbreitet sich dieses Organisationsform; weitere werden in der Mirail- Universität organisiert und in anderen Städten wie Auch, Montauban, Figeac (dort gibt es weitere CNT-AIT Ortsgruppen) oder auch in Poitiers (dort gibt es keine).
Zur Polizeirepression: in anderen Städten sind die gerade reichlich nervös. Sie gehen sehr brutal vor. In der Stadt Caen haben sie einem Demonstranten eine Tränengasgranate direkt ins Gesicht geschossen. Der Aluminiumbehälter der Granate hat sich in seinen Schädel gebohrt und es ist nur dem Zufall zu verdanken, daß er nicht dabei getötet wurde. Die CNT-AIT Caen steht in engem Kontakt zu seiner Familie. Wir werden euch über diesen Fall unterrichtet halten. In Montreuil, einem Vorort von Paris, wurde einE SchülerIn von einem Polizisten mit einem “flash ball” angeschossen, hat dabei das halbe Gesicht verloren und wird möglicherweise auch ein Auge verlieren.
In vielen anderen Städten und insbesondere in den Hafenstädten wie St Nazaire, Le Havre, Boulogne gab es harte Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und der Polizei.
Seit dem Beginn der Aktionen nahm die Polizei mehr als 1.300 Personen bei verschiedenen Aktionen fest.
Abgesehen von diesen spektakulären Kämpfen werden zahlreiche kleinere Aktionen organisiert, um einen Generalstreik populär zu machen. Zum Beispiel nahmen wir am 13. Oktober an einer Streikpostenkette vor der Peugeot-Fabrik in Aulnay teil, um weitere ArbeiterInnen dazu aufzurufen, sich der Bewegung anzuschließen. Wir müssen aber sagen, daß - obwohl viele ArbeiterInnen die Bewegung unterstützen - viele sich nicht dem Streik anschließen können, da sie hohe Schulden haben, die sie abzahlen müssen. Daher planen wir auch Aktionen, an denen sich Personen beteiligen können, ohne dabei ihr Einkommen zu verlieren, wie Sabotage, Bummelstreik, ökonomische Blockaden... Zum Beispiel streiken die Angestellten der Universitätsbibliothek Paris XIII täglich abwechselnd. Dadurch wird das System angehalten, aber die ArbeiterInnen verlieren nicht zu viel....
Wir möchten auch den Fokus der Bewegung auf das Kapital in seinen internationalen Aspekten richten, In Clermont Ferrand zum Beispiel organisierte unsere Ortsgruppe während der letzten Demonstration eine Soli- Aktion mit den peruanischen ArbeiterInnen vor einem Zara-Laden.
Da es ab dem kommenden Samstag wegen Feiertagen eine freie Woche gibt, hofft die Regierung, daß dieser Urlaub die SchülerInnenbewegung auflösen wird und die Bewegung anschließend nicht wieder in Gang kommt.
Fortsetzung folgt.
Für die Weiterentwicklung des Anarchosyndikalismus und der IAA,
mit solidarischen Grüßen,
die Mitglieder der CNT-AIT Paris
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Was wir über die französischen Renten NICHT erfahren
Die Lebenserwartung ist gestiegen und damit wird sich der Prozentsatz der RentnerInnen von 20% im Jahr 1960 auf 50% im Jahr 2050 erhöhen. Allerdings ist auch die Zahl der Personen, die in die Rentenkasse einzahlen, bis zum Jahr 2010 kontinuierlich gewachsen. Die durchschnittliche Produktivität wuchs zwischen 1960 und 2010 um brausende 500%. Wird diese Produktivität beibehalten, kann einE ArbeiterIn 2010 die Bezüge eines Rentners ebenso leicht finanzieren wie 20% der Rente im Jahr 1960. Ein Problem dabei ist, daß selbst offiziellen Zahlen zufolge 23 % der jungen Bevölkerung keine Arbeit hat und nichts zur Rentenkasse beitragen kann.
Der schlimmste anzunehmende Fall des Rentenplankomitees sagt für 2010 ein Defizit von Euro 120 Milliarden voraus, das wären 3% des franösischen Bruttoinlandsprodukts. Es gibt aber eine Tatsache, die die gutbezahlten Panikmacher euch vorenthalten möchten: Frankreich ist ein sehr reiches Land. Während der letzten 20 Jahre verdoppelte sich das BIP und wird sich bis 2050 nochmals verdoppeln. Während der letzten 30 Jahre fand ein Transfer von 10% des BIP von den Arbeitenden hin zu den Profitnehmenden statt. Das sind mal eben achtmal mehr als das gegenwärtige Defizit des nationalen Rentenfonds. Wenn Rentendefizite durch den Transfer zu den ohnehin Reichen verursacht werden, gibt es keinen Aufschrei in den kommerziellen Medien. Diejenigen, die die kontrollierenden Anteile an den Medienkonzernen halten, sind bereits zu reich, um sich um Renten noch zu sorgen.
Die sogenannten Reformen von 1993, 2003 und 2007 haben bereits dazu geführt, daß die Renten um 15-20% geringer wurden. Dies drückte über eine Million ältere MitbürgerInnen unter die Armutsgrenze. Die Hälfte der gerade in Rente gegangenen ArbeiterInnen erhält weniger als Euro 1.000 im Monat. Die am härtesten getroffene Gruppe sind die Frauen, die zugunsten der Kindererziehung ihre Berufstätigkeit unterbrachen.
Das größte Risiko ist, daß das Beitragssytem ersetzt wird durch ein auf Kapital basierendes System. Wir haben 2008 gesehen, wohin das führt. Da wird dann bald eine weitere mysteriöse und unvorhersehbare Krise eintreten und die Politiker werden die Rentengelder den Milliardären und ihren Megakonzernen in die Hand drücken, während es Millionen von Menschen gibt, die zu alt zum Arbeiten und zu jung zum Sterben sind.
Sofern der politische Wille besteht, gibt es viele Alternativen. Defizite können abgebaut werden, wenn Steuererleichterungen und Subventionen für die Reichen abgeschafft werden. Vergegenwärtigt euch nur diese Zahl: Dividenden machen 10% des französischen BIP aus.
Wie so häufig gibt es keine “objektiven Zwänge”, die Rentenkürzungen “leider notwendig” machen - es gibt nur die Gier der Reichen und deren Lügen.
Die bedingungslose Kapitulation oder Widerstand - wir müssen uns entscheiden, in Frankreich und anderswo.
Weitere Tatsachen, die die Bosse euch zum gegenwärtigen Kampf vorenthalten wollen, erfahrt ihr auf: http://cnt-ait.info
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